Machte in den vergangenen Jahren den Winzern am Kaiserstuhl und Tuniberg der fehlende Regen zu schaffen, so gab es in diesem Jahr bislang eher zu viel Nass von oben als zu wenig. Die Weinbauern hatten zeitweise alle Hände voll damit zu tun, dass ihre Reben gesund blieben. Vor allem Infektionen mit Falschem Mehltau (Peronospora) machte ihnen zu schaffen. Dennoch ist der Winzer und Weinbauberater Tobias Burtsche optimistisch, was die Qualitätsaussichten für den nächsten Weinjahrgang angeht. Und auch das hat mit dem üppigen Wasserangebot zu tun.
Dabei waren die ersten drei Monate des Jahres in puncto Niederschläge noch weitgehend normal, erklärt Burtsche rückblickend auf den bisherigen Witterungsverlauf 2024. Ungewöhnlich waren dagegen die sehr milden Temperaturen insbesondere im Februar. Rund sechs Grad lagen in diesem Monat die Durchschnittstemperaturen über dem langjährigen Mittel, sagt der Weinbauberater im Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald.
Die hohen Lufttemperaturen haben in der Folge auch zu einer starken Erwärmung der Böden und einem sehr frühen Austrieb bereits Anfang April geführt. Das sei 18 Tage früher, als dies früher im Schnitt der Fall war. Das milde Wetter endete dann aber jäh nach dem 20. April, als der Winter zumindest in den Bergen noch einmal ein kurzes Intermezzo gab. „In den kalten Nächten Ende April haben wir einen Streifschuss von Frost abbekommen,“ schildert Burtsche die Situation in diesen Tagen.
Rund zehn Tage lang war die Entwicklung der Weinreben unterbrochen. Erst Anfang Mai nahmen sie diese wieder auf. Allerdings war der Frühlingsmonat, der sonst als Wonnemonat gilt, außergewöhnlich regnerisch und - mangels Sonnenstunden - auch energiearm. Die Böden waren kühl und die Pflanzen haben laut Burtsche einen guten Teil ihres 18Entwicklungsvorsprung tägigen von Anfang April wieder eingebüßt. Zwischen dem 3. und dem 5. Juni begann dann in den frühen Lagen die Blüte, die sich in den späten Lagen bis zum Monatsende hinzog, das ist immer noch einige Tage vor dem langjährigen Mittel. Die Wetterkapriolen im Mai, erklärt der Weinbauexperte, hätten jedoch das sogenannte Pollenschlauchwachstum im Vorfeld der Blüte gehemmt. Das führte teilweise zu Verrieselungsschäden und zu einer insgesamt geringeren Beerenzahl an den Trauben. Burtsche spricht in diesem Zusammenhang von einer natürlichen Ertragsreduzierung. Das gelte vor allem bei den Burgundersorten. Müller-Thurgau, Riesling und Silvaner seien weniger betroffen.
Sorgen hat den Winzern im feuchten Frühjahr jedoch der Falsche Mehltau (Peronospora) bereitet. Bei den häufigen und teilweise heftigen Regenfällen seien die Pilzsporen vom Boden an die Blattunterseiten der Rebstöcke gespritzt worden (Splash-Effekt), von wo aus sie ihr Unwesen treiben konnten. Angesichts des unbeständigen Wetters sei es zum Teil schwer gewesen, geeignete Zeitfenster zu finden, um Pflanzenschutzmittel in den Anlagen auszubringen.
Zum Teil waren die Weinberge auch so durchnässt, dass sie kaum zu befahren waren. Das alles habe die Arbeit der Winzer zusätzlich erschwert und die Rebstöcke geschädigt. Zum Teil sei die Laubwand nicht ausreichend vorhanden, was unter anderem die Fähigkeit der Pflanzen zur Photosynthese einschränke. Dennoch, so Burtsche, seien die Schäden durch den Falschen Mehltau in den Anlagen insgesamt nicht so schlimm, wie von manchen erwartet. Etwas ärger erwischt habe es dabei die Ökowinzer, denen bei der Bekämpfung von Peronospora lediglich Kupfer als Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehe. Der Önologe, der im eigenen Weingut im Bereich Breisgau selbst Reben bewirtschaftet, hebt außerdem positiv hervor, dass die Winzer am Kaiserstuhl und Tuniberg bisher in diesem Jahr weitgehend von Unwettern verschont geblieben seien.
Hinsichtlich der Qualität des neuen Weinjahrgangs äußert sich der Weinbauberater optimistisch. Durch die gute Wasserversorgung seien die Reben in diesem Jahr so vital wie in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr. Das gelte insbesondere für die sehr guten Lagen auf den Vulkanverwitterungsböden des Kaiserstuhls und für junge Anlagen, deren Wurzelwerk noch nicht so tief reicht. „Hier können die Pflanzen in diesem Jahr aus dem Vollen schöpfen“, freut sich Burtsche.
Hinzu komme, dass das Fäulnisrisiko in diesem Jahr durch den lockeren Beerenbestand geringer sei. Bis zur Lese, die laut Burtsche voraussichtlich Mitte September beginnen wird, wünscht sich der Winzer und Weinbauexperte einen trockenen Witterungsver lauf mit moderaten sommerlichen Temperaturen. Die Voraussetzungen für einen guten bis sehr guten Jahrgang seien dann gegeben.
Von Thomas Rhenisch