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Interview mit Burghof-Chef zum Festival "Stimmen" im Dreiland: Behutsam neue Felder erschließen

Mo, 12. Juni 2023

Anzeige Timo Sadovnik möchte mit „Stimmen“und dem Burghof gängige Programme und Wagnisse verbinden

Timo Sadovnik bei der Präsentation des „Stimmen“-Programms. FOTO: BARBARA RUDA

Burghof- und damit auch „Stimmen“-Chef ist Timo Sadovnik schon seit 15 Monaten. Doch erst jetzt kann er von sich sagen, das Festival trage seine Handschrift. Während vor einem Jahr der ganz überwiegende Teil des „Stimmen“Programms noch unter Interimsgeschäftsführer Andrès Ibarra oder mehr noch von Sadovniks eigentlichem Vorgänger Markus Muffler arrangiert worden war, ist nun Timo Sadovnik mit seinem neuen Team alleinverantwortlich. In einem BZ-Talk sprach der Burghof-Leiter darüber, wie er den ersten Jahreszyklus aus Saison-Programm und „Stimmen“-Festival erlebt hat, wie die Spielräume eines intendantengeführten Hauses sind und was die Stadtgesellschaft von ihrem Kulturhaus und ihrem Festival erwartet.

BLICK AUF "STIMMEN"

Viele kleine Open-Air-Konzerte, viele Künstler, die im Netz und auf Social Media schon Stars sind und nun von der virtuellen Welt auf die analogen Festivalbühnen wechseln, neue Klassik-Formate, viel Genreübergreifendes und sogar naturkundliche Wanderungen und ein Film finden sich im „Stimmen“-Programm. Aber eigentlich nur noch zwei Gastspiele von arrivierten Popkünstlern älterer Semester (Simply Red und Zucchero), wie sie früher für „Stimmen“ oder zumindest für die besonders wichtigen Marktplatzkonzerte stilbildend waren. Timo Sadovnik jedenfalls nimmt die Einschätzung, dass das diesjährige "Stimmen"-Programm etwas spezieller sei als früher, durchaus als Kompliment an. Er sehe nach wie vor die Stimme als zentrales Motiv des Festivals. Das wurde vor seiner Berufung in den kulturpolitischen Debatten auch als ausdrücklicher Wunsch formuliert. Zusätzlich aber plant er, langfristig ein Rahmenprogramm als Ergänzung zum Festival zu entwickeln, das die Vielfalt dieses Motivs aufzeigt - zum Beispiel diesmal eben eine Naturschau mit Vogelstimmen. Was ja auch wieder eine lustige "Analogie" zum Festivalnamen und zum Lörracher Wappentier aufweise, wie er augenzwinkernd sagt.

NACH CORONA 

Timo Sadovnik hat den Burghof in „sehr schwierigen Zeiten“ übernommen, wie er mit Blick auf die vorangegangene Corona-Pandemie und die früheren Differenzen um die Zuschussfrage sagte. Es sei aber nicht nur für den Burghof „eine Zeit des Wiederbelebens“ gewesen, sondern insgesamt eine Zeit, die dem gesamten Kultursektor viel abverlangt habe. Die Menschen hätten sich vielfach in eine neue "Privatheit" zurückgezogen und die Inflation habe die Budgets der Menschen faktisch gekürzt. „Als Veranstalter kann man da nicht viel manövrieren“, beschrieb Sadovnik die eingeschränkten Spielräume. Dennoch sei es gelungen, mit neuen Marketingmaßnahmen Leute anzusprechen und das Haus wieder zu beleben. Deswegen habe man „kein dramatisches Jahr“ erlebt.

NEUE FELDER

Gerade bei der Klassik stelle sich die "Frage, wie man diese Sparte auffrischen kann, um sie zeitgemäß zu gestalten“. Das gilt für das Saisonprogramm ebenso wie für „Stimmen“. Ein Ansatz sei, neue Zielgruppen mit etwas abgewandelten Formaten in Berührung zu bringen. Seine Aufgabe sehe er darin, mit Künstlern und Agenturen darüber nachzudenken, wie Programme zeitgemäßer präsentiert werden könnten. Aber: Neue Formate zu entwickeln heiße nicht, das Stammpublikum vor den Kopf zu stoßen.

BRUCH ODER KONTINUITÄT

Timo Sadovnik betonte im BZ-Talk, dass er nicht zum scharfen Bruch neigt. „Grundsätzlich ist mein Zugang, erst einmal die Dinge zu beobachten.“ Deswegen sei es auch ganz gut gewesen, zum Beispiel beim „Stimmen“-Festival des vergangenen Jahres und auch abgeschwächt beim Saisonprogramm 2022/23 fast fertige Programme geerbt zu haben.

ANSPRÜCHE DER STADT

Ein jeder Burghof-Chef stand und steht in einem Spannungsfeld, einerseits der Stadt für das viele Geld (1,5 Millionen Euro laufender Zuschuss pro Jahr) etwas ganz Besonderes, ein Identifikationsmerkmal für die Stadt bieten zu müssen. Andererseits muss am Ende auch die Kasse stimmen. Das sei ganz normal, sagt Timo Sadovnik. „Man ist als Kulturschaffender immer im Zwang, dass das, was man anbietet, sich eben auch verkaufen lassen muss.“ Es gehe aber nicht darum, geschmäcklerisch zu sein, sondern um einen Kompromiss zwischen gängigen Angeboten und Wagnissen auszutarieren. Man müsse schauen, nicht nur die Populärkultur zu bedienen, sondern Freiräume und Nischen offenzuhalten.         dam

Der BZ-Talk mit Timo Sadovnik und BZ-Redaktionsleiter Willi Adam ist auf www.badische-zeitung.de/loerrach zu sehen. Anzusteuern auch über den Kurzlink mehr.bz/burghof1


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