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Alemannisch vom Feinsten

Di, 10. Mai 2022

Anzeige Dichter und Sänger aus dem Wiesental präsentieren die heimische Mund-Art auf dem „Alemannen-Gipfel“

Treffen der Mundart-Autoren: Alemanne-Gipfel in Enkenstein FOTO: PRIVAT

Wo es Gipfel und Alemannen gibt, drängt sich ein Alemannen-Gipfel geradezu auf. Im Südschwarzwald zwischen Feldberg, Belchen und Dinkelberg bis „hinunter“ zum Hochrhein ist Alemannisch Umgangssprache. Sie ist alltags- und stammtischgebräuchlich, passt zur Fastnacht und zum Strooßefescht. Und taugt zu Literatur und Liedgut. Das haben Johann Peter Hebel und seine Nachfolger umfassend unter Beweis gestellt. Damit auch die heutige Generation der hochalemannischen Wortschöpfer und Verseschmiede zu ihrem Recht und auf die Bühne kommen, hat sich ein alemannischer Freundeskreis vor vier Jahren kurzentschlossen darauf verständigt, ein Gipfeltreffen auf der Kleinkunstbühne „Heubühni“ des Brutschin-Hofes in Enkenstein, einem Ortsteil von Schopfheim, einzuberufen: der Autor dieses Artikels, sein Jugendfreund, der Schopfheimer „Knaschtbruder“ Jeannot Weißenberger, und der in Hohenegg lebende Dichter Markus Manfred Jung.

Die einzige „Auswärtige“ beim ersten Gipfeltreffen am 2. Februar 2019 war Ulrike Derndinger. Ihre ersten Sporen hat sich die aus Kürzel stammende Jungautorin schon 2003 beim Gerhard-Jung-Wettbewerb „Junge Mundart“ in Zell im Wiesental verdient. Deren Jury hatte erkannt, dass das milde und weiche Niederalemannisch der Ortenau ein ausgezeichneter Kontrast zum „chratzige“ Hochalemannisch darstellt. Darum ist die BZ-Lokalredakteurin aus Lahr zur festen Größe der folgenden Veranstaltungen im Wiesental geworden. Zweimal auf der „Heubühni“ in Enkenstein und einmal als Exportartikel beim Hochschwarzwald-Kleinkunst-Festival in Breitnau ist das Alemannen-Gipfel-Format in der gleichen Besetzung aufgeführt und mit begeisterten Applaus vom jeweiligen Publikum quittiert und in der Presse gelobt worden.

Und zwar so vernehmlich, dass der Landkreis Lörrach im Dezember 2020 Fördermittel aus dem Fonds Schlossgut Istein lockermachte. Allerdings konnten 2021 nur zwei der drei geplanten Gipfel-Veranstaltungen stattfinden: „Lyrik und Musik“ im Rosenhof in Schwand am 26. September mit Markus Manfred Jung, Nicole Keilbach-Schmittel und den Musikern Ben Meech und Kilya Vogel Buira. Und eine alemannische Matinée am 17. Oktober in der Kirche St. Agathe in Schopfheim-Fahrnau mit dem Musiker Christoph Köpfer und den Autorinnen Heidi Zöllner und Ulrike Derndinger. Der Südwestrundfunk hat einen Teil des Programms ausgestrahlt. Der ausgefallene Gipfel in der Enkensteiner „Heubühni“ wird nachgeholt. Die „Songs und Geschichten gehen zu Herzen“, überschrieb die Badische Zeitung ihren Bericht über die Fahrnauer Matinée. Das Gipfel-Konzept ist einfach, aber wirksam: Eine zeitlich gut abgewogene, abwechslungsreiche Mischung von Musik, Liedern und Literaturvortrag lässt weder Langeweile aufkommen, noch das Abdriften in volkstümelnde Untiefen zu. Die Akteure auf der Bühne überzeugen mit der Qualität ihrer Werke und der gekonnten Darbietung.

Stellvertretend für die Liedermacher und -sänger stehen die „Knaschtbrüeder“ Jeannot und Christian Weißenberger – so genannt, weil sie im ehemaligen Schopfheimer Knast ihre Büros haben. Sie sind im Kreis Lörrach und am Hochrhein unangefochtene Spitzenreiter der Mundart-Szene. Begonnen haben sie in den 1980er-Jahren mit Stücken von Otto Bürgelin aus Lörrach: „Adelhuuse“ und „Belchelied“ zum Beispiel. Diese und die darauffolgenden Eigenkompositionen von Jeannot Weißenberger sind weit über das Wiesental hinaus populär geworden. Sie gehen in Form und Inhalt weit über das hinaus, was vordem in der Region geklampft und gesungen wurde. Mit den „Knaschtbrüedern“ ist der Folk-Rock in die Mundart eingezogen, mit Texten, die den Alltag heiter, besinnlich oder drastisch beschreiben und karikieren. Jeder und jede im Wiesental weiß nun, was ein „Doddeliwetter“ ist und was man „alles in de Finke“ machen kann.

Nicht weniger eindrucksvoll sind die Beiträge der Literaten: Von der Sprachmächtigkeit des in Zell geborenen Dichters Markus Manfred Jung zeugen ein halbes Regal eigener Bücher, unzählige Aufsätze und jede Menge Preise und Auszeichnungen. Sie belegen den unermüdlichen Willen, der Literatur seiner Vorfahren, auch seines Vaters Gerhard, eigene Kapitel hinzuzufügen. In seiner Sprache schöpft er neue Bilder und bewahrt alte Wörter, die vom Aussterben bedroht sind. Beim Fußball etwa: tschute (kicken), flone (täuschen) oder Gooli (Torwart). Humorvoll und hintersinnig sind auch Ulrike Derndingers Geschichten. Sie thematisieren neben der Kindheit auf dem Bauernhof im „Schnoogeloch“ der Ortenau auch die ewig aktuelle Thematik der Fremdheit. Mit der überaschenden Erkenntnis: „Fremd si kannsch überall – deheim si aber au.“ Heinz Siebold

Info – Die Alemannische Szene

Der Alemanne-Gipfel am Hochrhein knüpft an Traditionen an, die schon Liedermacher wie Frank Dietsche und Roland Hofmaier (†) hoch hielten. Außer den „Knastbrüdern“ sorgen die „Luddi“ aus Uehlingen-Birkendorf und der Zeller Liedermacher Christoph Köpfer für den guten Alemannen-Klang. Die Mundart-Dichtung ist neuerdings weiblicher geworden, das zeigen neben Ulrike Derndinger weitere Autorinnen wie Carola Horstmann aus Zell, Heidi Zöllner aus Hausen, Nicole Keilbach-Schmittel aus Gresgen, Kathrin Ruesch aus Buggingen, Catharina Müller aus Efringen-Kirchen und Sandhya Hasswani aus Herrischried. Anstöße dazu haben sie allesamt von der Mundart Literaturwerkstatt in Schopfheim bekommen, die seit drei Jahrzehnten Raum und Zeit für Nachwuchs schafft. Und das ist auch dringend nötig, denn dass der Dialekt vor allem in den Städten auf dem Rückzug ist, kann niemand überhören.


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